Bildgestaltung : Teil 3
Balance noch einmal
Nicht erschrecken und hinsetzen 😉 es wird Wissen vermittelt. Zumindest kann ich mir hinterher nicht vorwerfen, ich hätte es nicht zumindest versucht 😉 . Balance nochmal. Neulich beim Auseinanderklamüsern von « Nude, Belgravia » bin ich da nur relativ flott mit einigen Sachen vorgeprescht. Heute ein paar Feinheiten.
Was ist eigentlich « Balance » ?
engl. wie frz. balance für Waage. Von Balance spricht man in aller Regel dann, wenn alle Elemente in einem Bild ausgewogen oder gleich sind oder in den korrekten Proportionen auftauchen. Sinn und Zweck ist das Erschaffen einer Harmonie für den Betrachter. Ausgewogenheit.
Einige Grundlagen in Sachen Balance
Die folgende Aufzählung ist wild durcheinandergewürfelt, hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Du musst Dir selber überlegen, was davon eher in Richtung symmetrischer oder asymmetrischer Balance untergebracht werden kann. Okay ? Youpi.
- Jedes Bild ist eine Ansammlung von Gegenständen und jeder dieser Gegenstände hat ein ihm eigenes « Gewicht »
- Das Gewicht eines solchen Gegenstandes ist abhängig von seiner visuellen Anziehungskraft und wie diese Anziehung auf den Betrachter wirkt oder wirken soll. Dieses ist abhängig vom Arrangement, davon, wo dieses « Ding » im Bild positioniert ist.
- Eine Sache mit reicher Textur hat ein grösseres Gewicht, als eine “glatte”
- Dunkle Gegenstände sind visuell ebenfalls « schwerer », als helle
- Form. Komplexen Formen kommt ein höheres Gewicht zu, als einfachen
- Farbe – je strahlender und intensiver die Farbe ist, desto gewichtiger wird sich das visuell anfühlen
- Kontrastverhältis – na ? Messerscharf kombiniert : je kontrastreicher, desto eher springt es ins Auge
- Eine Sache am Rand, in der Nähe zu einer Ecke in einer Komposition hat in der Regel ein « Mehr » an Gewicht, als wenn es mittenrein geklatscht wird. Lass es ruhen, denk drüber nach und durchforste Deine Festplatten nach den entsprechenden Bildern dazu. Ganz wichtig. Guck Dir Deine Machwerke auch nach diesen Punkten hin an. So gräbt sich das ein, in Deine visuelle Bibliothek im Kopf.
- « Raum » ohne jegliche Details zieht ebenfalls die Aufmerksamkeit auf sich, allein wegen der « Leere ». « Negative Space » heisst hierfür der Ausdruck, auf den die Suchmaschinen anspringen. Kann herrlich dazu verwendet werden, um Gefühle hervorzurufen wie weit, leer, angstvoll, klein, winzig, verschwindend, überwältigend … aber das geht jetzt hier ein klein wenig zu weit in die drunterliegende und verbundene psychologische Wirkungsweise
- Objekte in einem leeren Raum haben ein stärkeres visuelles Gewicht, als wenn sie in einer Gruppe auftauchen.
- Ein Gegenstand im Vordergrund hat weniger visuelle Anziehungskraft, als wenn er (der gleiche Gegenstand) im Hintergrund plaziert wird.
- Auf der Vertikalen oder Horizontalen angeordnet wirkt es « leichter », als auf einer Diagonalen. Mit der Diagonalen wird Spannung / Dynamik erzeugt.
Das « Laufwaagenprinzip »
Auch : Laufgewichtswaage oder “römische (Schnell-)Waage” (Bildlich gesprochen « informelle » oder « asymmetrische Balance » )
Wenn ein Subjekt in einem Bild in der Nähe der Bildmitte positioniert wird, sollte es möglichst nahe am sogenannten « Pivotpunkt » liegen, damit es angenehm zur Wirkung kommt.
Pivotpunkte sind grob gesprochen Angelpunkte. Also bei der Laufwaage der Punkt, an dem der Balken an der Kette hängt, da, am Haken.
Wenn es ausserhalb und deutlich ausserhalb der Mitte gelegt wird dann sollte sich auf der « Gegenseite » ein kleineres Objekt befinden, damit eine visuelle Balance entsteht.
(In der Zeichnung oben wird das mit der Grösse des Tellers in Relation zum Gewicht sehr schön « ersehbar ».)
Erkennst Du die « Laufwaage » ?
Fingerzeig
Wenn Du ganz schnell checken willst, ob Dein Foto ausbalanciert sein wird, form aus beiden Händen einen « Bilderrahmen ».

Nun schiebst Du diesen « Rahmen » um Dein angepeiltes Hauptobjekt und überlege Dir, wo es im Geviert am besten zur Wirkung kommt. Fang mit dem Objekt platt in der Mitte an und guck, was beim Verschieben des Rahmens passiert. Denk an die Laufwaage 😉
Dabei kommst Du vielleicht auch ganz nebenbei dahinter, dass das stumpfe Anwenden der « Drittelregel » oder des « goldenen Schnitts » nur um ihrer Selbst willen dafür sorgen, dass das Bild « kippt » und damit keine Balance hat. Dann lieber platt in die Mitte als immerhin noch so etwas wie « Gewicht ». Sieh zu, dass auf der gegenüberliegenden Bildseite ein « Gegengewicht » auftaucht und schon bist Du auf dem Weg zu jemandem, der seine Bilder aktiv gestaltet und ihnen auch noch so etwas wie « Räumlichkeit und Tiefe » geben kann. Denk an das weiter oben geschriebene zur diagonalen Positionierung der “Gewichte”.
Ganz nebenbei manipulierst Du das Unterbewusstsein des Betrachters Deiner Bilder in eine bestimmte Richtung. Bekommt der gar nicht mit. Nicht gleich durchdrehen vor Freude, wir sind hier noch bei den basics 😎 . Aber Du bist schon einen deutlichen Schritt vor der Horde der Forenmeister, deren Ein und Alles das Gitter im Sucher und die weit aufgerissene Blende ist 😯 Meinen Glückwunsch, das wird 🙂
Zwei Beispiele :
Im Bild hier gleich ist zu viel leerer Raum.
Der Forenprofi erkennt jetzt mit sicherem Blick, dass damit zum Ausdruck gebracht werden könnte, in welche Richtung der Geier flattert. Kann man, reicht aber nicht – zu platt und offensichtlich. Denn ausgeglichen, ausbalanciert, das geht anders. Da fehlt irgendwie was in dieser unendlichen Leere, die im Betrachter ein « wohliges » Gefühl hervorruft. Und wenn es seine Jagdbeute ist (diese Kleinigkeiten unterscheiden übrigens die grosse Masse der Forenvogelbilder von denen der « richtigen » Fotografen) Ausserdem sieht das Federvieh so schlimm nun auch wieder nicht aus, als dass da irgendwas mit « Angst » assoziiert werden müsste. Oder mit dem Albtraum aus der Kindheit, dass du selber ganz klein bist und dann dieser riesige Schatten aus dem Nichts angefaucht kommt und so. Erinnerst Dich ? Schnell die Schnuffeldecke gegriffen und das Bettzeug über den Kopf gezogen 😉
Hier im folgenden Bild funktioniert « Balance » at its best.
Klamüser Dir das mal auseinander. Klar, der Mann hat die Mâdels auf seiner Leinwand solange hin- und herkonstruiert, bis das passte. Aber keine Angst, das klappt auch bei Fotografien. Mach Dir den Rahmen mit Deinen Händen, denk an die Laufwaage und die anderen Sachen, die oben aufgezählt sind und mach. Irgendwann geht das mit zu den anderen Sachen ins Unterbewusstsein und Du wirst ganz selbstverständlich auf solche Dinge achten. Üben, üben, üben – wie immer. Es gibt einfach keine Abkürzung, auch wenn die Forenpros Dir was anderes erzählen wollen. Und wenn die anfangen, einmal mehr über « Regeln » herzuziehen – guck Dir deren Bilder an, guck drüber und denk nach. “Gute” Sachen sind da echt Nadeln im Heuhaufen. Eine pro Haufen, so ganz grob über den Daumen. 😉
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und hoffe, dass Du was hast mitnehmen können. Lass es sacken, schlag Dinge nach, verinnerliche und jetzt raus, Motive suchen 🙂 Und ausbalancieren. Bis es irgendwann sitzt. « Fingerübungen » nenne ich das.