« The eye sees it all, but the mind is what gives things a meaning »
Es ist brauchbar, ganz grob etwas über Funktion des Hirns und der Zusammenarbeit mit den Augen zu wissen.
You have to go further back to go forward
All children are artists. The problem is to remain one when growing up.
– Pablo PICASSO
Hirn : deklarativ, impliziert, prozedural
Das Gedächtnis wird ganz grob in deklaratives Gedächtnis, impliziertes (nicht-deklaratives) und prozedurales Gedächtnis unterteilt.
Der deklarative Teil ist der mit dem aktiv was tun und machen und üben, bis es sitzt. Dieses Tun wandert irgendwann in das prozedurale Gedöns. Da sind auf Abruf Sachen wie Fahrradfahren, Zähneputzen, Astralkörper abseifen und eincremen, Laufen, Treppensteigen, Schwimmen und so. Klappt, braucht keine Mühe. Kamerabedienung eben auch. Irgendwann. Das sind alles erlernte Fähigkeiten, die zu ‘automatisierten’ Abläufen und Fertigkeiten führen. ‘Bewusstes’ Nachdenken ist raus aus der Nummer. Fleissig üben und keineswegs die Sache mit den wie Unterhosen wechseln neues Fotozeug kaufen. Da sind wahrscheinlich Belegungen anders, die brauchen bewusste Konzentration. Für eine ganze Weile.
Der implizierte Teil des Gedächtnisses ist immer und jederzeit und überall in Aktion und registriert wirklich alles ums uns rum. Der Teil kann nichts, weiss aber alles. Speicherort für unbewusste Erinnerungen, wie die Fachleute das nennen. « Den / die da drüben, die habe ich doch schon mal gesehen ? » *GrübelGrübel* Kennste, oder ? Gut. Du bekommst aber quasi als Selbstschutz nur einige Sachen an das bewusste Mitbekommen geliefert, weil sonst information overflow und Verzweiflung und Chaos und Fehler und letzte Entscheidung und ex.
Sehen : konzeptuell, perzeptuell
Beim Sehen ist es ähnlich, es gibt da das konzeptuelle Sehen. « Du siehst nur, was du weisst. » (im Original : « Man erblickt nur, was man schon weiss und versteht » aus J. W. von Goethe, Gespräche. Gesellschaft bei Goethe, 24. April 1819). Uns fallen primär Dinge ins Auge und auf, zu denen wir Erinnerungen, Erfahrungen, Gefühlsduseleien und so haben. Knackpunkt ist, dass das, was wir da sehen, eingeordnet und bewertet wird und wir sozusagen die berüchtigte rosarote Brille aufhaben. Ergebnis bei Bildern sind dann halt die Sachen, die nerven. Klassiker ist das Gestrypp auf Kopf und das ohne Absicht. Oder in den Rahmen rein- bzw. rausragende Geschichten, die da an und für sich wenig zu suchen haben.
The camera doesn’t make a bit of difference. All of them can record what you are seeing. But you have to see.
– Ernst HAAS
Dann gibt es das perzeptuelle Sehen. Da sehen auch wir ‘Erwachsene’ die Dinge, wie sie tatsächlich sind. Ganz kurz nur, aber geht. Die Hirnforschung weiss von diesem ‘Jetzt’ eine Zeitspanne von Bruchteilen einer Sekunde bis bummelig einer Sekunde, bevor das Nachdenken und damit die Bewertung, unsere (deklarative) Interpretation einsetzt.

Jetzt alle zusammen
Ungeborene und Babies bekommen Licht (hell = aktiv, duster = pennen und Ruhe im Salon), Konturen und Farben (vorzugsweise Orange-, Rot- und Brauntöne) mit. Pure, reine, unverfälschte Seherfahrung ; ‘wissen’ noch nicht, ‘was’ sie da begucken.
Das mit dem ‘Wissen’ kommt mit zunehmendem Alter, wenn den Dingen Bedeutungen zugewiesen werden. Das ist sinnvoll, damit wir uns in der Welt zurechtfinden können. Aber in dem Moment, in dem wir eine Zuordnung vornehmen spielen auch sämtliche Emotionen und sonstigen Erfahrungen in Bezug auf dieses und jenes ‘Ding’ mit rein. Es wird zu einer Interpretation von einem ‘Ding’, einer ‘Farbe’. ‘Ärgernisse’ setzen mit zunehmendem Alter ein, je mehr ‘Wertungen’ und Erfahrungen gleich welcher Art zu Dingen gespeichert sind und sich in den gedanklichen Vordergrund drängeln.
Diese Interpretationen können international durchaus divergieren. Beispiel eine Verkehrsampel : Deren muntere farbliche Bereicherung des Strassenbildes ist europaweit normiert. Bei oben ‘rot’ und unten ‘grün’ sind sich auch alle einig. Nun der Boppel in der Mitte : Für den Germanen ‘gelb’. La Grande Nation sieht ‘orange’. Auf den britischen Inseln sind sie der festen Überzeugung, es sei ‘amber’, bernsteinfarben. Perzeptuales Sehen ist überall gleich, deklarative Beschreibung kann anders sein. Irre. Aber das nur am Rande. |
Das ‘pure Sehen’ wird dabei überdeckt. Die gute Nachricht : Es kann reaktiviert werden. ( Es gibt so etwas wie ‘perzeptuelles Lernen’ – Sanayei, M., Chen, X., Chicharro, D. et al. Perceptual learning of fine contrast discrimination changes neuronal tuning and population coding in macaque V4. Nature Communications 9, article n° 4238 (2018) ) Das perzeptuelle Sehvermögen ist nach wie vor da und wartet auf den Weckruf aus dem Dornröschenschlaf. « Lerne, Formen zu sehen statt Dingen. »
Das ist wie mit erlernten Tätigkeiten : Oft genug geübt, wandern die in den Bereich des prozeduralen Teil des Gedächtnisses. Formen, Linien, Umrisse, Farben, geometrische Formen häufig ‘bewusst’ erkannt und eingeordnet können in den perzeptuellen Bereich der Wahrnehmung einfliessen. Sie werden dann ‘aus dem Augenwinkel’ wahrgenommen, ohne sie als ‘Etwas’ beschreiben zu ‘müssen’. Mustererkennung. Es ist eine reine Übungssache. Mensch z.B. als rein visuelle Form zu begreifen ist einigermassen wertfrei. Form vor hell, also figure to ground, schwupps ! Da war was. Diese Fingerübungen, die sich hier so durch die Beiträge ziehen, die zielen auf das perzeptuelle Sehen. Kamera – vor allem eine neue – quasi mit ins Bett zu nehmen und drehen und einstellen und checken, ob das richtig ist … wenn nicht oder knapp daneben, noch einmal … die Bedienung geht über in ‘locker aus der Hand, ohne Nachdenken’ für das prozedurale Hirnareal. Bildwinkel von Objektiven … rechts und links ausserhalb ?.
So. Lass es sacken. Auf das perzeptuelle Sehen werde ich noch zurückkommen. Später.