
Jahreswechsel, Zeit der guten Vorsätze. Allüberall von den Forenspitzen sieht man neue Technik blitzen. Dann die üblichen « Tests » des neuen Spielzeugs gemacht, gefolgt von der Erkenntnis, dass es irgendwie mit den Bildern doch nicht besser wird. Auch wenn alle erzählen, dass ohne das neue Wunderdingen gar nicht fotografiert werden kann. Der ewige Kreislauf. Der Ausweg ist eigentlich simpel.
Hanging Out With the Other Kids Drinking Cristal
Ich setze voraus, dass es dir vorrangig um Bilder geht und nicht um die Knipskiste selbst. Wer « Bildqualität » als das Höchste ansieht und beim Pixelbestarren unruhig auf dem Sessel rumrutscht und insgeheim froh ist, dass es auf Kunstleder keine Flecken gibt, der braucht nicht weiterzulesen.
Die Kamera ist nur so gut wie du.
Wenn es an dir nagt, dass deine Bilder den Betrachter irgendwie nicht so recht in den Bann ziehen – das Technikding wird das nicht rausreissen. Hat es nie, wird es nicht. Es kann diverse Dinge deutlich vereinfachen, damit du dich rein auf « Bild » konzentrieren kannst. Aber wie « Bild » funktioniert, das weiss das Ding nicht. Und wenn du wie bei kleinen Hunden noch so viel mit ihm übst. Ein Roman wird nicht dadurch zu einem guten, wenn der statt mit Bic-Kuli mit einem high-end Federhalter geschrieben wird. Kein Stück.
Natürlich hilft es irgendwie, wenn ein Werkzeug gerne in die Hand genommen wird, keine Frage. Natürlich hilft es, sich mit dem Ding auseinanderzusetzen und zu wissen, wie damit umzugehen ist. Bedienungsanleitung schon gelesen ? Los, machen. Ich kenne meine Kameras ‘blind’. Heutzutage bieten die meisten Apparate Möglichkeiten der individuellen Konfiguration. Machen. Bau dir das so zusammen, wie es dir am besten liegt. Dafür haben die das entwickelt. Nur die Sache mit dem Bild, da musst du wissen, warum du was wie machst. Das nimmt dir die Technik nicht ab.
Anders bei Zubehör, z.B. Blitz- oder Dauerlicht. Da spiel mit rum. Anders wirst du nicht herausfinden, wie das am besten steht und was wie eingestellt werden kann und möchte. Das hat auch viel mit Abstand der Lampe zum Motiv zu tun. (Diese Abstände sind auch ein Grund dafür, warum Fragen wie « Welche 1/10-Einstellung wurde da denn genommen ? » sehr deutlich aufzeigen, dass so Sachen wie das berühmte Abstandsgesetz (« Inverse Square Law » – die Lichtintensität nimmt im Quadrat zur Entfernung ab) entweder unbekannt oder nicht verstanden sind. Oder beides. Um ein Bild 1:1 nachzubasteln bräuchtest du bis auf den Zentimeter genau die Abstände. Macht keiner. Echt nicht. Spiel selber und guck, wie es aussieht.)
Probieren macht Spass.
Damit sind wir beim Thema. Übung. Es gibt keine Abkürzung auf dem Weg zur Meisterschaft. Nicht eine. Wer was anderes erzählt, der pfuscht. Du musst nicht jede Dummheit auch selber machen, aber vieles geht ausschliesslich mit entsprechender Praxis. Das ist wie Autofahren. Nur vom Papier wird das nichts. Und du kannst es nicht kaufen, wenn du es selbst beherrschen willst. Auch dieses Gefühl, welches sich einstellt, wenn was klappt, das gibt es auch nicht für Geld.
Beguck deine bisherigen Arbeiten
Beguck deine Arbeiten der letzten Zeit, des vergangenen Jahres. Wirklich. Beguck sie. Finde raus, woran es sich zu arbeiten lohnt, was besser werden kann. Das ist ein guter Ansatz.
Wenn es an der Komposition hapert, arbeite daran, Elemente zu finden. Elemente, die auf das Hauptobjekt hinweisen. Forsche nach den Sachen, wie das Hauptobjekt in deinem Bild in den Mittelpunkt des Interesses gebracht werden kann. Es gibt mehr, als Drittel ohne Balance und – noch blöder – die Blende bis Anschlag zu öffnen. Linien. Kontraste (in Licht und Farben). Formen. Strukturen, Texturen. Mach dich schlau. Es ist toll, was es da alles gibt. « Kann ich nicht » ist eine ganz ganz billige und vor allem alberne Ausrede. Du willst nicht, das ist die harte Wahrheit. Mach dich locker. Sei offen für Neues. Findest du nicht von den Kaspern in Foren, die sich bei technischen Daten einen schubbern.
Beguck deine Bilder mal nach der Aufnahmeperspektive. Alles aus Stehhöhe ? Langweilig. Fang an zu variieren. Geh in die Hocke. Oder ganz auf den Boden. Froschperspektive. Reck Dich. Kletter auf irgendwas rauf. Vogelperspektive. Mach es beim nächsten Ausflug. Bring Variationen rein. Je öfter du an sowas denkst und das auch machst, desto eher wirst du entsprechendes « Potential » bei deinen Bildern überhaupt erkennen. Desto besser werden sie. Versprochen.
Oder beguck deine Bilder nach Belichtung. Entspricht die Belichtung dem, was du dir bei der Aufnahme vorgestellt hast ? Spiel rum. Analysiere das hinterher. Es wird sich in deinem Bewusstsein festsetzen. Belichte Dein Hauptobjekt so, wie es nachher dem entsprechen soll, was du dir an Wirkung vorstellst.

Mach dich schlau, wie so ein Belichtungsmesser tickt und warum du bei sehr hellen oder sehr dunklen Gesamtszenen gegensteuern musst. Übe das, sonst wirst du nur wieder von dem Ding gelinkt. Ich mache sowas mit dem EV+- – Rad. Geht für mich am schnellsten. Erfahrung kraft viel Übung macht den Rest.
Die Lichter in deinem Bild, da hinten oben links oder rechts oder wo auch immer, die sind zwar drin und ausgebrannt, lenken aber nicht wesentlich ab und erzählen auch nichts wirklich Wichtiges ? Warum dann da Struktur reinbringen ? Bei Schatten das gleiche. Der, der sich nachher das Bild als Ganzes anguckt, der wird es akzeptieren. Vielleicht dir auch insgeheim danken, die Szene nicht mit überflüssigen Sachen heillos überfrachtet zu haben. Überfrachtet laute Bilder machen die, die Dynamikumfang vergöttern. Die haben aber von « Bild » keine Ahnung. Statt dessen begaffen die lieber die süssen kleinen Pixelchen, weil das in den Augen nämlich nicht ganz so schmerzt. Beste Beispiele für derlei Auswüchse sind die berüchtigten lost-place Fotos. Die meisten quietschen vor lauter hochgerupften Schatten. Bei den guten gibt es ein Hauptobjekt, auf das auch der Blick gelenkt wird. Die sind in aller Regel auch nicht einfach knallbunt.
Pflück Bilder auseinander und finde raus, warum sie « funktionieren », warum du gefesselt bist. Dann mach dich dran, das selber umzusetzen.
Lese.
Guck Videos.
Fotografiere.
Analysiere.
Fotografiere, ohne die gleichen Fehler wieder zu machen.
Lese.
Guck Videos.
Fotografiere.
Analysiere.
…
Simple Geschichte. Eigentlich.
Eine Sache eben noch : Schmeiss nicht gleich alle Bilder, die deiner Meinung nach nichts geworden sind in die Tonne. Heb die auf und analysiere die. Echt, jetzt. Es ist nicht verkehrt, sich seine Fehler ab und zu wieder einmal vor Augen zu führen und zum anderen kannst du an denen deine Fortschritte ablesen. Das beruhigt und befreit und macht zufrieden.
Gut. Und noch eine : Wenn die Möglichkeit da ist, erarbeite deine Motive. Geh um sie rum. Der erste Schuss ist meistens nie der beste. Perspektive. Gerade erst erwähnt. Änder die Posen. Leicht, nicht zu rabiat, das wird sonst ein anderes Bild. Spiel rum. Und guck nachher in aller Ruhe am Rechner, welches tatsächlich so schick ist, dass es an die Wand kann. Oder in ein Album. Oder Buch. Druck Bilder aus. Lohnt sich 😉

Überwinde deinen inneren Schweinehund.
Für viele scheint dieses kleine Spiel eine riesengrosse Hürde zu sein. Oder es fehlt schlicht der Biss, das auch einmal länger als ein, vielleicht zwei Wochen durchzuhalten. Tja. Es liegt an dir. Nimm dir kleine Sachen vor, die du auch erreichen kannst. Die grossen Geschichten kommen schon von alleine, keine Bange. Die setzen sich auch nur aus ganz vielen kleinen zusammen. Und : Mit jeder kleinen Sache wirst du sicherer, selbstsicherer, entspannter, besser. Zufriedener. Je mehr du übst, desto. Obacht ! Trainiere die « richtigen » Sachen, sonst bist du nach den berühmten 10 000 Stunden absoluter Könner in Murks. Und *das* wieder in den Griff zu bekommen, das dauert richtig lange. Richtig. Lange.
Wenn du ein Fotograf sein willst, benimm dich wie einer. Mach dich locker. Sei offen für Neues. Lerne, Bilder mehr zu lieben, als dein Equipment. Denn du machst Bilder. Die interessiert es für ihre Wirkung schlicht nicht, wo sie rausgekrochen kommen.
Was « Cristal » ist ? Champagner von Roederer 😉 Lass es krachen.