
In gewisser Hinsicht ist der Prozess des Fotografierens per se immer auch ein Prozess des framing. Der Fotograf entscheidet – zudem vorgegeben durch die Brennweite des Objektivs -, was er im Bild enthalten haben möchte und was lieber draussen bleibt. Dann gibt es Möglichkeiten, das Hauptmotiv selbst zu umrahmen. Dieses « sub-framing » sorgt mit dafür, dass ein Bild entsteht statt nur ein Knips. Weil bewusst etwas gestaltet wird.
You’re Not Moving Cannonballs
Framing ist die Präsentation eines visuellen Objektes in einem Bild über seine Plazierung in Relation zu anderen visuellen Elementen im Bild. Platt über den Daumen meint « framing », das Objekt mit verschiedenen im Bild vorhandenen natürlichen, künstlichen oder mitgebrachten Dingen zu umgeben. Manche sind eine Sache von Glück, die meisten aber abhängig von der Kreativität des Fotografen und seiner Fähigkeit, einen Rahmen auch als solchen zu erkennen und einzusetzen.
Mit Rahmen kannst du beispielsweise
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- deinem Bild eine visuelle Hierarchie geben
- störende Elemente beseitigen (in dem Rahmen, den wir als « Sucher » kennen) oder in den Hintergrund treten lassen
- Symmetrie basteln
- dem Bild Perspektive, Tiefe geben, sogar Vorder-, Mittel- und Hintergrund
- Grössenverhältnisse und Proportionen darstellen
- deinem Bild Balance angedeihen lassen
- visuelles Interesse wecken
- eine mysteriöse Stimmung erschaffen
- das Auge des Betrachters führen, eine Hilfe um zu begreifen, um was es eigentlich geht. Vor allem in geschäftigen Szenen. Und das Auge des Betrachters im Bild behalten, wieder zum Hauptmotiv zurückkehren lassen.
Das Schicke an Rahmen ist, dass sie quasi überall vorhanden sind – sie wollen manchmal gerne erst gesucht und erkannt werden. Viele sind offensichtlich. Das macht das framing zu einer einfachen und – ordentlich angewendet – äusserst wirkungsvollen Sache.
Die « Billigen »
Fenster, Türen und Tore, Eingänge und Durchgänge – Einfahrten, Tordurchfahrten, Brücken, Unterführungen (den Lichttunnel und « offene Schatten » hast du noch im Hinterkopf ? Youpi ! Immer fein das Licht analysieren und nutzen 🙂 ) -, Durchblicke zwischen Etagen und Treppen, Mauerelemente, Laubwerk und Äste, Gebüsch, spiegelnde Flächen. Die gefürchteten Bilderrahmenaktionen bei Hochzeiten. Du verstehst.
![]() Die Arkaden der Pl des Vosges sind ebenfalls ein Selbstläufer, wenn es um Rahmen geht. |
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Die auf den « zweiten Blick »
Arme, Personen im Anschnitt, Schaukelseile, Gebäude rechts und links. Farben. Der eigene Körper des Models. Haare. Licht. Und Schatten, natürlich. Negative space. Spiegelungen in Scheiben, Pfützen und – wer wäre denn darauf gekommen – Spiegeln 😉 .
Die « gebauten »
Bei der Studioarbeit mit Menschen gerne genommen : Requisiten a.k.a. props. Mitgebrachte Sachen, grosse Schals, dicke Kapuzen. Vorhandene wie Vorhänge, Flaschen, Gläser, Kerzen. Hintergründe dürfen mit ihren Begrenzungen durchaus gezeigt werden, das muss nicht immer strengst knitterfrei und unendlich sein ; Stative und Stangen sind ziemlich schicke Rahmenkonstruktionen 😉 . Lampen auch, sowohl in Gänze als auch im Anschnitt. Schon einmal unter einem Stuhl oder dessen Rückenlehne durch ein Bild komponiert ? Selbst das Telefon kann ins Bild gehalten werden und « Wand im Vordergrund » sein.
Nur aus Gründen der Vollständigkeit, weil es hier und da tatsächlich auftauchen mag :
Foreground framing
Der « Rahmen » ist im Vordergrund. Quasi alles, wo das Kameraauge durchlugt. Das Objekt des gesteigerten Interesses kommt sozusagen auf der zweiten Ebene.
Background framing
Der Hintergrund liefert den Rahmen. Ein Waldrand. Eine Häuserwand. Da ist der Blickfang vor.
Wie geschrieben, das dient nur der Vollständigkeit. Vorder- wie Hintergrund dürfen dabei auch gerne einigermassen erkennbar sein, wenn es angebracht erscheint. Den vergammelnden letzten Strohhalm des Gematsches mit aufgerissener Blende überlassen wir lieber Hein Tech und seiner Planlosigkeit 🤔.
Figure-to-ground
Ein kurzer Hinweis an dieser Stelle auf figure-to-ground : Achte darauf, dass dein umrahmtes Objekt « sauber » in den Rahmen eingesetzt ist. « Sauber » heisst, dass es soweit möglich einigermassen *frei* im Rahmen ist. Insbesondere bei Köpfen wird das relevant. Und auch bei Gegenständen geht das. Hierin unterscheiden sich nämlich die guten Bilder von den anderen.
Hört sich einfach an, ist auch einfach. Aber wie heisst es so schön ? « Der Unterschied zwischen einem guten und einem herausragenden Bild sind oft nur wenige Zentimeter. » (William Albert ALLARD hat das mal gesagt.) Übung macht es. Nach ausreichend Übung übernimmt die Intuition.
Zu figure-to-ground werde ich mich noch ausführlicher auslassen ; das ist eines der wirkungsvollsten Mittel in Sachen Bildgestaltung, die es gibt. Wirkt unterbewusst, sorgt für Harmonie und vor allem Klarheit.
« Hausaufgabe »
Schnapp dir deine Kamera, eine Optik ( eine ! – du hast es hoffentlich noch nicht vergessen ; trainiere so ganz nebenbei « Bildwinkel » 😉 ), raus an die frische Luft und such dir die Rahmen. Nimm dir ein, zwei Varianten pro Ausflug vor und beacker die. Freue dich dabei über das Licht und nutze es bewusst, achte auf figure-to-ground im Rahmen und du hast ausreichend zu tun. Es macht Spass, Entdeckergeist auf grosser Tour. Pass ein wenig auf ein ausgewogenes « Gewicht » von Rahmen zu Hauptobjekt auf und was von beiden die Oberhand hat. Noch etwas für den Hinterkopf : Kontraste helfen immer. Und weniger ist meistens besser.
Sollte ein Wetterchen sein, bei dem selbst der Hund nur widerwillig vor die Tür will, bau dir was auf zum Thema. Das macht auch mächtig Spass und schwupps ! ist der Tag auch schon wieder rum. Solcherlei Trainingseinheiten helfen gewaltig dabei, visuell (und handwerklich) auf Zack zu bleiben. Zeig dem schwarzen Zauberkasten ruhig, *wer* beim Bildermachen Chef ist.
Guck dir Fotografien von Henri CARTIER-BRESSON an. Bei vielen kratzen sich viele am Kopf, was der Erschaffer denn damit nun sagen will. Klamüser die nach visuellen Mustern auseinander und es kommt das Aha-Erlebnis. Fingerübungen. Hat er viele gemacht. Und er ist beileibe nicht der einzige 😉 . Mache es zu einer Gewohnheit solche Einheiten einzulegen wann immer sich die Gelegenheit bietet.